Erwischt!
Olivier Bernhard lief am Zürcher Ironman zwar als Sieger ein, aber lange konnte er sich über diesen Erfolg nicht freuen. Bereits nach dem Powerman in Zofingen wurde er des Dopingmissbrauchs überführt und mittlerweilen für ein Jahr gesperrt. Bei den Frauen gewann die Hawaii-Siegerin von 1997, Heather Fuhr.
Alles hatte sich in Zürich auf den grossen Triumph-Lauf von Olivier Bernhard vorbereitet. Der Schweizer, der zuvor in Zofingen überlegen Duathlon-Weltmeister über die Langdistanz und Vierter der Europameisterschaften geworden war, dominierte seine Konkurrenten bereits auf dem anspruchsvollen Radparcours so deutlich, dass sein Erfolg eigentlich kaum mehr in Frage gestellt wurde. Er siegte schliesslich nach 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,2 km Laufen in einer Zeit von 8:23:07 Stunden. Das Ticket für Hawaii lag damit in seiner Tasche bereit. Noch, so schränkte er ein, wisse er allerdings nicht, ob er zum vierten Mal sich in dieses Abenteuer stürze. Denn bei seinen drei bisherigen Teilnahmen war stets etwas schiefgelaufen, nie hatte er das Ziel erreicht. Seine Skepsis, so zeigt sich heute, war tatsächlich angebracht gewesen. Inzwischen steht nämlich fest, dass er aller Voraussicht nach nicht auf Hawaii starten wird. Allerdings gaben zu diesem Entscheid keine sportlichen Gründe den Ausschlag.
Überraschend traf am vergangenen 3. September die Meldung per Fax ein, dass Olivier Bernhard wegen eines Dopingsvergehen für ein Jahr gesperrt werde. Der Ostschweizer blieb nach seinem Sieg in Zofingen in der nachfolgenden Dopingkontrolle hängen. Sowohl die A- als auch die B-Probe hatten einen zu hohen Norandrosteron- und Noretiocholanolon-Wert ergeben. Dabei handelt es sich um Stoffwechselprodukte des anabolen Steroids Nandrolon, das sowohl vom Körper produziert wird wie auch synthetisch hergestellt werden kann. Statt der erlaubten zwei Nanogramm wies der 30jährige Bernhard eine Konzentration von drei Nanogramm auf.Nach den Richtlinien des Internationalen Triathlon-Verbandes kann ein solches Vergehen eine Strafe von bis zu zwei Jahren nach sich ziehen. Bernhard wurde am 17. Juli 1998 über die positive B-Probe informiert und per 1. September vom nationalen Verband für ein Jahr gesperrt. Verwundern tut dieser Befund kaum in einer Sportart, dessen Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen im Mittelpunkt der Dopingdiskussionen stehen. Da erstaunt höchstens, dass neben zwei Fällen in den 80er Jahren Bernhard der erste gedopte Triathlet sein soll.
Der grosse Zeitraum von sechs Wochen zwischen Befund und Sperre lässt zudem erahnen, dass der Schweizerische Triathlon-Verband vor der Weltmeisterschaft in Lausanne Ende August nicht in negative Schlagzeilen geraten wollte. In dieser Zeit gewann der Athlet den besagten "Ironman Switzerland", der gleichzeitig als Triathlon-Langdistanz-Meisterschaft ausgeschrieben war. Diese Erfolge samt den Preisgeldern werden ihm nun, nach der Überführung des Dopings, aberkannt. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, weshalb der Verband im Wissen um den Dopingbefund Bernhard überhaupt zum Schweizer Ironman starten liessen.
Die Verteidigungsstrategie des beschuldigten Athleten gleicht sich bekannten Mustern an: er bestreitet jegliche Einnahme unerlaubter Mittel, und: "Ich weiss nicht, wie dieser Stoff in meinen Körper gelangen konnte". Er vermutet, dass die körpereigene Hormonproduktion durch Fleisch oder Vitaminpräparate stimuliert worden sei. Er weiss aber auch, dass es sehr schwierig sein wird, seine Unschuld beweisen zu können. Umso mehr, als dass sein persönlicher Betreuer Michele Ferrari heisst, der gerade im Umfeld des Profiradsports einen mehr als zweifelhaften Ruf geniesst. Er legte beim Internationalen Triathlon-Verband bereits Rekurs gegen die Sperre ein, der allerdings keine aufschiebende Wirkung nach sich zieht. "Für mich gibt es nur ein Ziel: den Freispruch", gab sich Bernhard entschlossen, eine allfällige Strafreduzierung würde ihn nicht interessieren. Er schätzt seine Chancen auf einen Freispruch als gross ein.
Vergleichbare Fälle in den vergangenen zwölf Monaten ergeben indes ein anderes Bild: In Frankreich wurden sieben Sportler, darunter sechs Fussballer und ein Judoka, des Nandrolon-Missbrauchs überführt und mit bis zu zwei Jahren bestraft. Einzig Antoine Sibiérski, Fussballspieler bei Auxerre, die Mountainbikerin Paola Pezzo (It) und die Radfahrerin Yvonne Brunen (Ho) waren mit Rekursen erfolgreich.
Bei diesen Vorkommnissen geht der Sieg der Kanadierin Heather Fuhr in Zürich beinahe unter. Sie gewann überraschend im Oktober 1997 den Hawaii-Titel und galt demnach auch in der Schweiz als hauptsächliche Siegesanwärterin. Allerdings wartete sie bis zur zweiten Hälfte des Marathons, um die lange Zeit führende Amerikanerin Marci Mauro zu überholen. Die 30jährige Fuhr revanchierte sich damit für die im Vorjahr erlittene Niederlage, als sie mit beträchtlichem Rückstand auf dem dritten Platz gelandet war. Dieses Mal hat sie sich akribischer auf den Zürcher Event vorbereitet – und hat sich mit diesem Sieg wieder in eine Favoritinnen-Position für Hawaii geschoben. Da blieb für die zweitplazierte Schweizerin Ariane Gutknecht, im Vorjahr noch zehn Minuten schneller als Fuhr, die Erkenntnis über eine "tolle Laufleistung" und die Premiere am Ironman Hawaii als neue Zielsetzung.
Pascal Meisser