VELOSZENE SCHWEIZ 09/98

Der Mann aus "Down Under"

Er stammt aus Neu-Kaledonien, ist Franzose und fährt seit zwei Jahren in der Schweiz: Jean-Michel Tessier, 20, gehört derzeit zu den stärksten Nachwuchsfahrern - national und international.

Es ist selten genug, dass Jean-Michel Tessier in der Schweiz Wettkämpfe bestreitet. Doch wenn er hierzulande fährt, dann gewinnt der erst 20jährige Rennen um Rennen - egal ob er gegen gleichaltrige oder Gegner der Eliteklasse fährt. Das Muster seiner Erfolge gleicht sich stets: kurz vor Schluss reisst Tessier in einem kleinen Aufstieg aus und erreicht das Ziel solo. So gewann er in im Sommer die Strassenrennen im liechtensteinischen Ruggell und Sulz und bloss eine Woche später sowohl das U23- und als auch das Eliterennen in Pfaffnau einen Tag später. Dabei liegt seine wesentliche Stärke nicht unbedingt in den Beinen. "Er ist uns allen im mentalen Bereich meilenweit überlegen", sagt Christian Sidler, Trainings- und Teamkollege von Tessier.

Erst vor zwei Jahren war Jean-Michel Tessier auf Empfehlung des Ex-Profis Daniel Gisiger in die Schweiz gekommen. Der inzwischen 44jährige führt seit längerer Zeit auf Neukaledonien, einem kleinen Eiland östlich von Australien, ein Radfahrerschule. Tessier war einer seiner ersten Schüler - und einer der talentiertesten. In Europa könne er Karriere machen, soll ihm Gisiger gesagt haben. Und so schickte er den Jüngling zu Bekannten nach St-Imier. Ganz in der Nähe, in Sonvilier, wohnt Paul Köchli, mit dem sich Tessier ab und zu mal trifft. Bei seiner Gastfamilie erhält er Kost und Logis und trainiert seither wie ein Profi. Das hört sich zwar nach einer Platitüde an. Aber tatsächlich trainiert Tessier bis zu 40 Stunden pro Woche. "Der ist auch nach einer Zehn-Stunden-Tour nur schwer vom Rad zu locken", stöhnt Sidler. Inzwischen scheint sich Tessier also sehr gut eingelebt zu haben inmitten der Schweizer Jura-Erhebungen. Sogar ein Angebot des Club Cyclistes d'Etupes, eine der renommierten Adressen in Frankreich, konnte ihn im vergangenen Winter weglocken. Tessier schlug aus - und wechselte stattdessen zum Frank-Cilo-Team des Luzerners Robert Thalmann.

Dabei hatte er im vergangenen Jahr die grossen Erfolge in Frankreich gefeiert. Er gewann die Challenge Espoirs - eine Serie von vier kürzeren Etappenrennen. Zudem ist er Mitglied der Strassen- und Bahn-Nationalmannschaft Frankreichs und fährt auch dieses Jahr wieder äusserst erfolgreich in unserem westlichen Nachbarland. Das Amateurrennen Paris-Roubaix hatte er im Frühjahr als Zehnter beendet. Zurzeit durchläuft er das mehrwöchige Weltmeisterschafts-Vorbereitungsprogramm des französischen Verbandes. Und auch dort erzielt er weiterhin beachtenswerte Erfolge. Kürzlich hatte er die vierteilige Rennserie Mi-Août Bretonne in Frankreich gewonnen - trotz (zweitklassiger) Profikonkurrenz aus den Rennställen Casino und Bigmat. Deshalb wird er bis zum Weltmeisterschaftsrennen in Valkenburg (Holland) im Oktober, wo er zu den grossen Favoriten gehört, nicht mehr oft bei uns verweilen. Dagegen haben seine Gegner aus der Schweiz wohl kaum viel einzuwenden.

Pascal Meisser

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