VELOSZENE SCHWEIZ 09/98
Schlussspurt
Zwei Rennen vor Wertungsschluss zeichnen sich langsam Konturen in den ARIF-Wertungen ab, dennoch ist noch alles offen: Zweikampf total, wenn es um die letzten Punkte in Oberwil BL (13. September) und Mendrisio (4. Oktober) geht. Einzig das Frauen-Championat ist vorzeitig entschieden worden. VELO präsentiert Ihnen die Leader Stefan Rütimann (Elite), Martin Elmiger (U23) und Yvonne Schnorf (Frauen).
ELITE - Stefan Rütimann (20)
24 Punkte beträgt der Vorsprung von Stefan Rütimann auf den ärgsten Konkurrenten - eine minimale Marge. Und das zieht eine Planänderung mit sich, nachdem ursprünglich vorgesehen war, dass Rütimann die Saison Mitte August an der Europameisterschaft abschliesst. Denn seit Mitte Juli absolviert Rütimann die Rekrutenschule als Infanterist - doch die Aussichten auf den Arif-Titel haben die Endsaisonplanung von Rütimann (siehe auch Portrait in VELO 06/98) durcheinandergebracht. "Das Arif-Championat war eigentlich kein persönliches Ziel gewesen", sagt der 20jährige aus der Schaller-Truppe, "doch jetzt, wo ich so nah dran bin, wär ein Erfolg schon ganz toll." Und falls ihn seine Vorgesetzten nicht nur mit militärischem Drill beschäftigen, sondern auch zwischendurch trainieren lassen, dann würde Rütimann auch noch die letzten Wertungsläufe fahren. Es gäbe zwar kaum einen Fahrer mehr, der sich von Saisonbeginn weg aufs Arif-Gesamtklassement fixiert, gibt der Sinser zu bedenken. Aber einen Titel, den man vor Augen hat, verschenkt auch Rütimann nicht gerne - zumal es die einzige Auszeichung einer Rennserie in der Schweiz ist und immerhin ein Preisgeld von Franken abwirft. Auch wenn der Vorsprung gegenüber dem Zweitplazierten Christian Eminger (Grepper) nach dem letzten Rennen in Siglistorf nochmals tüchtig geschrumpft ist.
Früher habe das Arif-Championat einen grösseren Stellenwert gehabt, glaubt Rütimann. Zumindest ist es aber auch heute noch ein Gradmesser der nationalen Leistungskurve: nicht jener Athlet mit den meisten Siegen wird gesucht, sondern der konstanteste. Gerade in dieser Hinsicht liess Rütimann aufhorchen - trotz seines sehr jungen Alters. "Ich bin selber überrascht worden, dass ich seit März keinen Formeinbruch erlitten habe", bestätigt der Fahrer. Dabei muss noch angefügt werden, dass Rütimann zwischen Mai und Juni - inmitten der Wettkampfphase - seine Lehre als Elektroniker abgeschlossen hatte, mit einem respektablen Ergebnis.
Die guten Leistungen Rütimanns schlagen sich aber nicht nur im Arif-Klassement nieder. Seit längerer Zeit hat er das Interesse bei den Post-Verantwortlichen geweckt. Im Klartext: Team-Manager Jean-Jacques Loup und Leiter Jacques Michaud wollten Rütimann für die nächste Saison ins Post Swiss Team beordern. Wenn es nach Loup geht, soll dieses Angebot aber bereits wieder der Vergangenheit angehören. Rütimann habe sich diese Chance selber verbaut, meint er, denn: "Wegen der Rekrutenschule verliert er fast ein halbes Jahr." Und nach dieser Pause gleich den Anschluss bei den Profis zu finden, sei praktisch auszuschliessen. Und ein wenig enttäuscht fügte er an: "Rütimann zeigte sich wenig initiativ, versuchte nicht mal, die RS zu verschieben." Ob es sich dabei um ein sprachliches Missverständnis handelt? Rütimann wäre sehr gerne nicht eingerückt. Nur fühlte er sich dabei von den Post-Verantwortlichen dabei nicht gross unterstützt. Kein Wunder, glaubte er, dass auch eine Absolvierung der RS ihm den Profi-Aufstieg ermöglichen wurde. Nun wird er eben während den langen Nächten in der Kaserne statt vom Profitum von der nächsten Saison mit dem Team Schaller träumen müssen.
U 23 - Martin Elmiger (20)
Ein Mann der (zu) schnell gefällten Entscheide ist Martin Elmiger bestimmt nicht. Als er kürzlich vor der Frage stand, sein chronisches Wirbelleiden operativ zu beheben, verneinte er. Zumal bei jedem Eingriff im Rücken ein gewisses Risiko eingegangen wird. Wie jeder tausendste Schweizer leidet Elmiger nämlich unter dem Problem namens "Wirbelgleiten" - der unterste Wirbel sitzt nicht fix an seinem Ort, sondern bewegt sich hin und her. Der daraus entstehende Schmerz strahlt pausenlos in den Oberschenkel ab. "Wenn ich fahre, merke ich, dass etwas da ist", seufzt Elmiger, "selbst im Training spüre ich es, kann nicht mal einen runden Tritt fahren." Inzwischen lässt er sich an der Zürcher Schulthess-Klinik von Chefartz Walter A. Frey behandeln, zu dessen Kunden auch Ski-As Michael von Grünigen zählt. Trotzdem ist Elmiger derzeit Arif-Leader der U23-Klasse - auch wenn das Ergebnis ein wenig blenden mag. Der Fahrer aus der neuen Bianchi-Podium-Girostar-Equipe ist nicht der erfolgreichste Fahrer dieser Nachwuchs-Klasse, vielmehr einer der beständigsten U23-Fahrer.
Das liegt in erster Linie daran, dass Spitzenfahrer wie Rütimann, Fragnière, Strauss und Tessier fast ausschliesslich Eliterennen bestreiten. Elmiger möchte sich hingegen in den U23-Rennen weiterentwickeln. Zwar sagt er, dass er den Arif-Sieg vor allem wegen seinem sportlichen Leiter Giovanni Ghirotto anstrebt. Ein solcher soll dem italienischen Profi helfen, zusätzliche Sponsoren für die kommende Saison zu finden. Dieser wiederum glaubt, dass die Arif-Spitzenposition Elmiger mentale Fortschritte bringt. "Er muss lernen, unter Druck die beste Leistung zu erbringen", sagt Ghirotto. Aus diesem Grund hat er eigenhändig ein zitronengelbes Leadertrikot für Elmiger, der 1999 die Lehre als Tiefbauzeichner abschliessen wird, entworfen. So soll er später als prädestinierter Etappenfahrer auch in Rundfahrten zu Sieg und Erfolg kommen.
Dabei hat sich Elmiger erst auf diese Saison hin auf die Strasse konzentriert. Zuvor fuhr er mit Erfolg sowohl sowohl Strassen- als auch Bikerennen bestritten. Inzwischen ist Elmiger aber klar geworden, dass er eine längerfristige Karriere auf der Strasse anstreben will. Die Weltmeisterschaft in Holland im Oktober wird, trotz des winkenden Triumphs in der nationalen Rennserie, wohl kaum ein Thema sein. Mittelfristig sollte aber einem Profieinstieg nichts im Wege stehen - dank der gut überlegten Karrierenplanung.
FRAUEN - Yvonne Schnorf (33)
Der Gewinn des ARIF-Meistertitels - für Yvonne Schnorf ist das nichts Neues. Bereits zum dritten Mal in Folge siegt die Zürcher Oberländerin in dieser Serie, obwohl ein Wertungslauf noch aussteht. Die 33jährige Gemeindeangestellte hat damit bestätigt, dass sie auch 1998 zu den konstantesten Fahrerinnen zählt. Nicht nur das: "Für die anderen wird's langsam deprimierend", flachst Yvonne, die Schwester von Beat Wabel. Dies soll ihr überhaupt nicht als Überheblichkeit ausgelegt werden. Denn vielmehr kämpfte sie seit Jahren ihren Weg als Einzelkämpferin nach oben, unterstützt von ihrem Ehemann Peter. Aufwärts ging es dieses Jahr bei den Frauen aber auch mit der allgemeinen Leistungssteigerung, findet Schnorf . "Bergauf ist es nicht mehr so einfach, den Gegnerinnen wegzufahren", musste sie erkennen. Doch sie hat ihre Strategie den neuen Umständen angepasst: sie fährt auch mal im Flachstück den Kontrahentinnen auf und davon. Und im Sprint ist sie auch dieses Jahr wieder eine Klasse für sich - nicht nur national.
An der französischen Tour de Bretagne belegte sie gegen starke internationale Konkurrenz viermal einen Platz unter den ersten fünf. Ihr nächstes Ziel ist nun die erstmals ausgetragene Tour de Suisse féminin: "Ich hoffe, dass es mir so gut läuft wie vergangenes Jahr am GP des Kantons Zürich (bisherige Bezeichnung der Tour de Suisse féminin, AdR)", sagt Schnorf. Damals war sie hinter Fahrerinnen der Weltspitze, Hanka Kupfernagel, Barbara Heeb und Karen Kurreck, Gesamtvierte geworden. Für mehr, so denkt Schnorf, wird es allerdings nicht reichen. "Ich habe einen interessanten Job und bin nicht bereit, diesen gegen einen Hungerlohn aufzugeben", erklärt Schnorf. Dann fährt sie lieber jeden Morgen an ihre 80-Prozentstelle auf dem Gemeindebüro in Männedorf und trainiert erst am Nachmittag - rund 15 Stunden pro Woche.
Pascal Meisser
|

Veloland Schweiz: Fluchtwege
Schweizer Profiteams im Umbruch
Nick Waldmeier: Neues Leben
Jean-Michel Tessier: Der Mann aus "Down Under"
BMX - Schweizer abgehängt
Vorschau Tour de Suisse féminin
Vorschau GP Rüebliland
Vorschau GP Tell
Namen und News
|