Umbruch
Aderlass beim Post Swiss Team: Zberg und Aebersold ziehen weg, da die Sponsorin den Budgetforderungen nicht nachgekommen ist. Die Post will sich demnach auch in Zukunft auf die Ausbildung von Nachwuchsfahrern konzentrieren. Änderungen hingegen beim Profi-Neuling Ericsson-Villiger: nach den vielen verletzungsbedingten Ausfällen will man von 12 auf 14 Fahrer aufstocken.
Nach den Erfolgen des Post Swiss Teams an der Tour de Suisse und der Schweizermeisterschaft vor zwei Monaten hatten sich die Spekulationen um die weitere Zukunft des Teams gehäuft. Vom Zuzug von Amstel-Gold-Race-Sieger Rolf Järmann war die Rede gewesen, oder von Philipp Buschor, der Saeco verlassen möchte. Sogar Olympiasieger Pascal Richard war mitunter ins Spiel gebracht worden. Doch Investitionsbedarf ist bei der Schweizerischen Post nicht vorhanden. Man wolle sich an der bisherigen Strategie, Nachwuchsfahrer an die Profispitze zu bringen, festhalten. So kommentiert Sponsoringleiterin Rosemarie Rotzetter einen Grundsatzentscheid des Konzerns. Das Post Swiss Team soll also weiterhin als Sprungbrett fungieren, Siege vor allem in der Schweiz erzielt werden. Dies hat mehrere Gründe - strukturelle und finanzielle.
Denn um die Mannschaft gezielt zu verstärken, hätte das aktuelle Budget von 2 Millionen Franken mindestens verdoppelt werden müssen. Die Partnerschaft mit einem starken Co-Sponsor wäre eine Lösung gewesen. Doch die Post möchte auch künftig der alleinige Geldgeber der Mannschaft sein. Wie hoch aber der Sponsorbetrag 1999 sein wird, wollte Rotzetter noch nicht bekanntgeben: "Das ist derzeit Gegenstand der normalen Vertragsverhandlungen und wird wohl erst im November definitiv entschieden." Der Entscheid, wie bisher fortzufahren, könnte aber bedeuten, dass 1999 kein zusätzlicher Franken ins Team investiert würde. Mit den derzeitigen Erfolgen, so hofft man, würde die Mannschaft vermehrt an Rennen eingeladen und damit die Spesenkasse entlastet. Dies hat Konsequenzen: Markus Zberg und Niki Aebersold liessen verlauten, dass sie unter diesen Umständen das Post Swiss Team auf Ende Saison verlassen wollen. Die beiden erfolgreichsten "Pöstler" werden zu einer Erstdivisionsmannschaft wechseln - mit der Möglichkeit, sämtliche Weltcuprennen und grossen Rundfahrten zu bestreiten. Um welches Team es sich dabei handelt, ist hingegen noch nicht bekannt.
Anders sieht's derzeit bei Ericsson-Villiger, der zweiten schweizerischen Profi-Mannschaft, aus: kein Erfolg, der Druck auf die Sponsoren generiert, kein Spitzenfahrer, der am Gehen gehindert werden muss. "Wir haben gesehen", zieht Team-Manager Ignaz Keller eine Zwischenbilanz, "dass wir vom hohen Niveau der Spitzenteams noch weit entfernt sind." Daraus habe er jetzt die Lehren gezogen, bekräftigte der engagierte Leiter der Ostschweizer Formation. Das Team habe eher zuviele Rennen als zuwenige bestritten, entsprechend sei zuwenig Zeit für eine umfassendere Vorbereitung und bessere Erholung geblieben. Diese Schwierigkeiten hätten sich insbesondere bei den langen Anreisen zu Wettkämpfen im Ausland ergeben. "Wir mussten eben diese Startmöglichkeiten nutzen, um uns zu zeigen", erklärte Keller. Das Ziel für 1999 lautet deshalb: eine gezieltere Vorbereitung auf die Tour de Romandie und die Tour de Suisse.
Ein weiterer unvorhergesehener Störungsfaktor waren die vielen Stürze und Verletzungen: Josef Christen war nach einem Schlüsselbeinbruch mehrere Wochen out, Jacques Jolidon und Michael Themann verpassten einen Teil der Saison wegen langwierigen Viruserkrankungen. Keller will für kommende Saison handeln: "Es ist vorgesehen, das Kader von 12 auf 14 Fahrer aufzustocken." Dies ist aber nur möglich, wenn das heutige Budget von rund dreiviertel Millionen Franken angehoben wird. Dazu werden weitere Geldgeber versucht. "Unsere Sponsoren haben ihr Einverständnis gegeben, dass wir einen weiteren Geldgeber verpflichten dürfen", so Keller. Allerdings herrscht grosse Eile. Der internationale Radsportverband UCI hat nämlich die Meldepflicht der Teams vom 15. Januar auf den 31. Oktober des Vorjahres vorgezogen - entsprechend früher müssen die Sponsoren-Zusicherungen vorliegen. Eine allfällige Vergrösserung der Mannschaft könnte indes die Zukunft des eigenen U23-Teams in Frage stellen. "Durchaus denkbar", meint Keller zur Idee, für die Espoirs-Fahrer künftig neue Sponsoren zu suchen. Denn für mehr Fahrer im Ericsson-Profiteam wird auch zusätzliche Infrastruktur benötigt. Und um neue Autos und Busse zu kaufen, ist schlicht kein Geld vorhanden. Da greift man lieber auf bereits existierendes Eigenmaterial zurück.
Pascal Meisser