Schweizer Präzision
Die Etappensieger der Tour de Romandie wurden mit digitaler Lichtschrankenmessung der neusten Generation ermittelt. Jetzt will die Berner Firma Datasport
auch bei der Tour de France zeigen, was sie kann.
Das waren noch Zeiten, als handgestoppte Zeitmessungen für handfeste Diskussionen zwischen Jurymitgliedern und hartgesottenen Athleten sorgten. Längst hat die Lichtschrankenmessung im Spitzensport Einzug gehalten. Die steigende Leistungsdichte machte es unumgänglich, sehr präzise und unbestechliche Zeitmessanlagen einzuführen.
Der Fortschritt ist geht unaufhaltsam weiter, wie ein Blick über die Schultern von Angestellten der Berner Zeitmessungsfirma Datasport anlässlich der Tour de Romandie zeigte. Schon seit 13 Jahren sammelt die Datasport-Crew unter der Leitung von Mitinhaber Claudio Galasso Erfahrungen auf dem Gebiet der Zeitmessung.
Anstelle handbedienter Stoppuhren setzt man heute auf Computer. Der technische und personelle Aufwand für ein Rennen wie die Tour de Romandie ist immens und für eine kleine Firma wie Datasport eine grosse Herausforderung. Bei den Etappenrennen sind fünf Leute im Einsatz bei den Einzelzeifahren sogar acht bis neun, ausgerüstet mit einem Equipment, das etliche Millionen Franken gekostet hat. Etwas Entlastung geniesst die Crew nur dank dem Umstand, dass das Fernsehen erst während der letzten anderthalb Stunden an der Tour de Romandie live sendet. Denn das Pflichtenheft geht mittlerweile längst über die Erfassung des Zieleinlaufes und die Erstellung der Rangliste hinaus. Zeiteinblendungen im Fernseher mit den Namen der Fahrer und deren Rückstand oder Vorsprung gehört genauso zum Service des Zeitmessers wie die Belieferung von individuellen Angaben jeder einzelnen Kommentatorenzelle internationaler Fernsehanstalten bei Einzelzeitfahren.
Die heikelste Situation ist aber nach wie vor der Zieleinlauf, wenn das Feld im 70-Stundenkilometertempo geschlossen über die Linie rast. Kommen auch noch schwierige Lichtverhältnisse und schlechtes Wetter dazu, wird die Auswertung des Rennens zur Herausforderung. Einer Herausforderung, die mit einem herkömmlichen Zielfilm nicht selten in Überforderung mündete und sich mit ärgerlichen Fehlern auf der Rangliste bemerkbar machte. Der Einsatz modernster Computertechnik kann dies mittlerweile fast zu 100 Prozent verhindern. Digitale Fotografie macht's möglich und
bietet entscheidende Vorteile gegenüber dem traditionellen Zielfilm.
Markant ist vor allem die Zeitersparnis dank Bits und Bytes. Denn die Auswertung des Zieleinlaufes kann sofort nach der ersten Zieldurchfahrt beginnen – auch währenddem weitere Fahrer ankommen, denn die Bilder werden laufend auf eine Harddisk abgespeichert. Das umständliche und heikle Entwickeln des Zielfilmes mittels Chemie entfällt und die Filmempfindlichkeit ist auch kein Thema mehr.
Die digitale Trefferquote ist beeindruckend; den elektronischen Augen entgeht (fast) nichts. Das professionelle Videosystem ermöglicht bis zu 50 Bilder pro Sekunde, was einer Erfassungsgenauigkeit von 1/2000 Sekunde entspricht. Der Clou: zwei Kameras fokussieren die Fahrer durch handelsübliche 24-Millimeter-Nikon-Weitwinkelobjektive von beiden Seiten der Ziellinie, was eine beinahe hundertprozentige Erfassungssicherheit gewährleistet. Auf dem Bildschirm können die Bilder dann fast beliebig aufgehellt, abgedunkelt, farblich verändert und partiell vergrössert werden. Der Prozess des Auswertens erinnert an die Arbeit eines Layouter, der mittels Hilfslinien Text und Bilder zu druckfertigen Seiten aufbereitet.
Die einzige Schwierigkeit besteht darin, die beiden Kameras richtig zu positionieren, damit Sonne, Schatten und Spitzlichter die Bildqualität nicht beeinträchtigen. Die gespeicherten Daten lassen sich x-beliebig abrufen und lässt sich sogar am Fernsehen veröffentlichen. Nur für den Druck reicht es (noch) nicht. Dazu ist Auflösung und Brillanz zu gering.
Diese Entwicklung ist nicht neu: Seit sechs Jahren gibt es den digitalisierten Zielfilm bereits. In Farbe wurde er erstmals an der Olympiade 1996 in Atlanta vorgestellt. Galasso, der innovative Jungunternehmen, war von der Technik auf Anhieb begeistert und suchte nach Möglichkeiten, dieses System in sein bereits bestehendes einzubinden. Dabei hielten sich die Investitionen gemäss Galasso in Grenzen: Rund 200'000 Franken musste Datasport für die Ausrüstung inklusive der Möglichkeit zur Einblendung ins TV-Live-Bild aufwenden. Das macht das System auch für finanziell weniger hoch dotierte Rennen und Massenanlässe attraktiv, denn der Einsatz kommt nicht teurer als mit herkömmlichem Zielfilm.
Das hat einen Grund: Galasso kam entgegen, dass er die speziellen Applikationen weitgehend selber entwickelt und programmiert hat. Der Aargauer räumt allerdings ein, das selbst mit der leistungsfähigsten Kameraauswertung die Zeitmessung noch immer nicht völlig sicher ist. Ideal wäre die Kombination der bei Bike-, Lauf- und Triathlonwettkämpfen bereits erfolgreich eingesetzten Chipmessung in Kombination mit dem digitalen Zielfilm. Bei der Chipmessung löst ein kleiner, 3,8 Gramm schwerer Sender die Zeitmessung aus – also nicht mehr der Körper oder das Rad des Sportlers. Jeder Chip hat eine eigene Frequenz. Der Athlet kann so auch dann noch identifiziert werden, wenn er im Feld für die Zielkamera nicht sichtbar ist. Da die Strassenfahrer ihre Räder unterwegs jedoch wechseln dürfen, ist diese Methode für den Strassenradsport ungeeignet. Denn der Chip muss zwischen Vorderrad und Gabel fest mit dem Velo verbunden sein. Die Chipmessung erlaubt es, eine Rangliste ohne manuellen Eingriff sofort nach dem Zieleinlauf vollautomatisch zu erstellen. Günstig ist diese Art der Zeitmessung allerdings nicht: Ein Chip kostet laut Galasso momentan noch rund 700 Franken.
Hochstehende Ziele haben den Aargauer freilich noch nie abgeschreckt. Nach Engagementen an zahlreichen Bike-Veranstaltungen, dem Engadiner Skimarathon und etlichen namhaften Laufveranstaltungen hat er auch den Einstand im an der Westschweizer Rundfahrt erfolgreich bestanden. Sein nächstes Ziel ist aber etwas schwieriger zu erreichen: die Zeitmessung an der Tour de France.
Martin Platter
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