VELOSZENE SCHWEIZ 01/99

Aus der Traum?

Erst legte die Crédit Suisse, einer der grössten Sponsoren im Schwizer Radsport, den Plan, ein Profi-Team zu unterstützen ad acta, nun zieht sich das Unternehmen auch noch als Geldgeber diverser Radsport-Veranstaltungen zurück. Ist dies der Beginn eines Ausstiegs auf Raten?

Noch nicht lange ist es her, als man in der Sponsoring-Abteilung der Crédit Suisse (CS) von einer Profi-Radsportgruppe geträumt hatte. Urs Wyss, oberster Sponsoringverantwortlicher der Bank, hatte bereits Gespräche mit Jim Ochowitz, dem ehemaligen Sportlichen Leiter von Motorola, geführt, die Pläne für ein Team lagen in der Schublade bereit. Doch nicht zuletzt die Ereignisse im Sommer an der Tour de France warfen alles über den Haufen. Mit der Absichtserklärung, ein internationales Profiteam auf die Beine zu stellen, wurde der Aktenvernichter gefüttert, doch damit wurde nur eine lockere Vision zunichte gemacht. Die eklatanteren Folgen wurden erst auf den Winter hin publik gemacht: die Schweizer Grossbank will sich 1999 auf Radsport-Grossanlässe (Tour de Suisse, Tour de Romandie) konzentrieren und nützt die Gelegenheit, um sich aus aus verschiedenen anderen Engagements zu verabschieden.

"Es werden klare Schwerpunkte gesetzt und die zur Verfügung stehenden Ressourcen gezielt eingesetzt", teilte die Grossbank in einem Schreiben mit. Tatsache ist, dass die CS seit dem Zusammengehen mit der Schweizerischen Volksbank am 1. Januar 1997 ihr Sponsoring-Portefeuille kontinuierlich bereinigt. "Wir haben keine Verträge vorzeitig aufgekündigt", sagte Urs Wyss auf Anfrage, "wir analysieren unsere Engagements und wägen Aufwand und Ertrag genau ab." Es sei deshalb natürlich, dass eine Konzentration stattgefunden habe – und weiterhin stattfinden werde. Deshalb könne man nicht von einem Ausstieg auf Raten aus dem Radsport sprechen. Kein Thema für die CS war aber das angeschlagene Image des Radsports nach dem Dopingskandal an der Tour de France: "Der Ausstieg bei diversen Anlässen hat damit keinen Zusammenhang. Die Diskussionen und die Bereinigung des Sponsoring-Portefeuilles hat schon vor Bekanntwerden der ganzen Dopingaffäre begonnen", so Urs Wyss. Derzeit fliessen rund dreissig Prozent der CS-Sponsoring-Ausgaben in den Radsport.

Neben den beiden grossen Landesrundfahrten unterstützt die Credit Suisse weiterhin die Rad-Nationalteams des Schweizerischen Rad- und Motorfahrerbundes (SRB) und das Nachwuchsprojekt «Kids on Wheels». Damit hat die Crédit Suisse also trotz anfänglichem Zögern wieder einen Einjahresvertrag als Hauptsponsor der Tour de Suisse unterschrieben. Gross wird die Freude bei Tour-Direktor Hugo Steinegger indes nicht sein, zumal die erneute Verpflichtung der Crédit Suisse eher einem Pyrrhus-Sieg gleicht. Denn gleichzeitig zieht sich die Bank aus vier weiteren Anlässen der Organisation Tour de Suisse zurück: die Berner Rundfahrt, der Grand Prix Tell, die Rominger Classic und das SRB-Alpenbrevet.

Aber auch andere Veranstalter sind in den Sog dieser Konzentrations- und Sparübungen des Gross-Sponsors gekommen: die Austragung des Zeitfahrens "Joseph-Voegeli-Memorial" ist für 1999 noch nicht gesichert, da die CS einen Viertel des Gesamtbudgets der Veranstaltung getragen hatte. Gemäss Medienberichten ist Organisator André Voegeli aber bereits mit potentiellen neuen Sponsoren in Verhandlung. Von den Kürzungen ist ebenfalls Ueli Marti, Veranstalter des Frauen-Weltcuprennens in Embrach, betroffen. Er sieht aber die Fortsetzung dieses Rennens im Zürcher Unterland nicht gefährdet, auch hier stehen Gespräche mit Nachfolge-Sponsoren an.

Nicht mehr verlängert wird auch der Vertrag des einzigen Schweizer Weltcuprennens "Meisterschaft von Zürich" (früher Grand Prix Suisse) – ein Entschluss, der bereits im vergangenen Sommer bekannt war. "Wir waren davon ausgegangen, dass die CS kein Hauptpatronat übernehmen würde", sagte Robert Ochsner, Mitglied des neuformierten Organisationskomitee. Und er fragt sich: "Ist es überhaupt noch sinnvoll, sich an eine Bank binden zu wollen, die nicht als Hauptsponsor auftreten will – oder sucht man sich nicht besser ein anderes Finanzunternehmen?" Doch mit dieser rhetorischen Frage wird die Finanzierung des Millionenanlasses auch nicht einfacher. Zumal die definitive Vergabe des Weltcuprennens an den Radfahrerverein Zürich stark verzögert und die Suche nach Geldgeber zusätzlich erschwert worden war. Ende November sind zwar Gespräche mit möglichen ausländischen Investoren geführt worden.

Im jetzigen Stadium nehme man dennoch in Kauf, im ersten Jahr rote Zahlen schreiben zu müssen, sagte Ochsner. Man setzt deshalb für die kommenden Monate grosse Hoffnungen in die Geschicke von Daniel Perroud, Chef der gleichnamigen Organisation DPO. Seit der Übernahme der Tour de Romandie 1997 hat Perroud bereits finanzielles Geschick bewiesen. Im ersten Jahr resultierte wegen der eigenfinanzierten TV-Übertragung noch ein Defizit von rund 400'000 Franken, heuer präsentierte der Genfer Unternehmer eine ausgeglichene Rechnung. Und wenn die angelaufenen Gespräche zwischen Perroud und Urs Leutert, Sportchef beim Schweizer Fernsehen DRS, zu einem positiven Abschluss kommen sollten, lassen sich auch noch auf kurze Frist einige interessante Sponsoren gewinnen.

Pascal Meisser

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