Gegenwind
Die nationale ARiF-Rennserie steht vor dem Aus. Die unzufriedenen Sportgruppen drohen mit dem Alleingang durch Gründung
der Vereinigung der Schweizer Sportgruppen und des "Swiss Cycling Cups".
Eigentlich hätte an jenem Samstag nachmittag im November die erste Tagung des Teamleiter-Kurses in Magglingen stattfinden sollen. Doch es hatte nicht lange gedauert, bis die Kursteilnehmer vom eigentlichen Lernstoff abschweiften und auf jenes Thema zu sprechen kamen, das viele Sportliche Leiter seit Beginn der abgelaufenen Saison beschäftigt hatte: die Meisterschaft der Vereinigung am Radsport interessierten Firmen (ARiF). Während Jahren gehörte diese Rennserie zum wichtigsten Eckpfeiler in der nationalen Nachwuchsförderung. Wer aus der ARiF-Meisterschaft als Sieger herauskam, durfte den Übertritt zu den Berufsfahrern wagen. Doch heute, im Jahre 29 der ARiF-Meisterschaft, wird diese Bedeutung von immer mehr Exponenten des nationalen Radsports angezweifelt. Das hat verschiedene Gründe: einerseits hat sich die ARiF-Serie von einer Mannschafts- vorwiegend zu einer Einzelwertung gewandelt, andererseits hat eine neue Generation von Sportlichen Leitern mit neuen Ideen und Vorstellungen die alte Garde abgelöst.
Flugs wurde eine ARiF-Versammlung einberufen, zu der zwar viele Teamleiter erschienen waren, aber keine Vertreter des Schweizerischen Rad- und Motorfahrerbundes (siehe Interview). Zur geplanten Aussprache zwischen den drei Parteien ARiF, Teams und SRB war es also nicht gekommen. Stattdessen wurde eine Standortbestimmung in relativ ruhiger Atmosphäre vollzogen. Haupttraktandum waren die ausgebliebenen Zahlungen der Teams zur Durchführung des ARIF-Cups. Man wolle nicht die Preisgelder der Profis finanzieren, lautete der Vorwurf. Und tatsächlich: Mannschaftssieger wurde das Post Swiss Team, das Preisgeld von 2000 Franken wäre aber zum grössten Teil von den ohnehin finanziell schwach dotierten Amateurteams bezahlt worden. Für gehässige Episoden führten einzig persönliche Differenzen zwischen einzelnen Vertretern. "Die Äusserungen befanden sich teilweise an der Grenze des guten Geschmacks", urteilte Aldo Schaller, Inhaber des gleichnamigen Radsportteams. Und das rief die Teamleiter auf den Plan. Denn zwischen zwei Fronten aufgerieben werden, das wollten sie nicht.
Als Konsequenz haben die Sportgruppen einen vierköpfigen Ausschuss mit den Teamleitern Dany Hirs, Aldo Schaller, Walter Schnyder und Fabian Scheidegger gebildet. Dieses Quartett soll nun ein mögliches Vorgehen ausarbeiten, das sich zwischen der weiteren Zusammenarbeit mit der ARiF bis zum Alleingang erstrecken kann. Der Respekt vor der Radikallösung ist indes noch gross. "Ich will nicht, dass wir einen Schnellschuss produzieren", sagt Hirs, "deshalb müssen die beteiligten Parteien nochmals zusammenkommen." Im Dezember soll aus diesem Grund ein Treffen arrangiert, an dem SRB-Instruktor Kurt Bürgi, ein Vertreter der Fachkommission Radrennsport, ein ARiF-Vertreter sowie der Vierer-Ausschuss der Teams teilnehmen. Die Teamleiter stellen klare Forderungen, wie die künftige Reglementierung einer solchen Rennserie aussehen soll. Und sollte dieses Meeting ohne zufriedenstellende Resultate zu Ende gehen, sind sich die Sportlichen Leiter über das weitere Vorgehen weitgehend einig. Es wird eine ARiF-unabhängige "Vereinigung der Schweizer Sportgruppen" gebildet, die ARiF-Meisterschaft künftig durch den "Swiss Cycling Cup" abgelöst. "Mit dieser an die heutige Zeit angepassten Bezeichnung könnte man wieder neues Interesse wecken", glaubt Hirs. Vor allem sollen die finanziellen Ressourcen der Teams besser genutzt werden. Gemäss dem bereits existierenden provisorischen Rennreglements würde jedes Team 300 Franken in einem Gemeinschaftspott legen, aus dem die gemeinsamen Unkosten gedeckt werden sollen. Im Gegensatz zur ARiF ist kein Preisgeld vorgesehen. Vielmehr wird das verfügbare Geld in die Attraktivitätssteigerung des Amateur-Radsports investiert. Weitere interessante Eckdaten des möglichen "Swiss Cycling Cup": Beschränkung auf die Elite- und U23-Klasse, maximal acht Rennen pro Kategorie, Punktevergabe bis zum letzten plazierten Fahrer sowie keine Berücksichtung mehr von Athleten mit Berufsfahrer-Lizenz.
Ob es allerdings wirklich soweit kommt, ist derzeit noch mehr als fraglich. "Ein Neuaufbau einer ARiF-ähnlichen Gewerkschaftsorganisation der Teams würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen", sind sich die Initiatoren Schaller und Hirs bewusst. Schliesslich sind alle Teamleiter noch in einem Zweitberuf tätig, oder haben sogar selber ein Geschäft. Was aber alle bisher verkannt haben: die wirklich bedeutende Ursache, dass sich die Öffentlichkeit kaum für den Amateur-Radsport interessiert, liegen in den grossen Erfolgen der Schweizer Profis. Und so lange diese im bisherigen Masse weitersiegen, wird jede auch noch so grosse Bemühung, die nationale Rennserie attraktiver zu gestalten, in den nationalen Medien kaum die entsprechende Resonanz finden.
Pascal Meisser